Die vier Aufgaben des Lektorats

Im Englischen unterscheidet man generell zwischen Auftragslektorat (Commissioning Editors), Entwicklungslektorat (Developmental Editors) und Textlektorat (Line Editors).

Obwohl diese Begriffe im deutschen Verlagswesen nicht üblich sind, sind die Aufgaben eine*r Lektor*in natürlich die gleichen. Für die vierte wesentliche Aufgabe gibt es auch im Englischen keinen eindeutigen Namen.

Editing

Foto von Patrick Tomasso auf Unsplash

Schauen wir uns diese Aufgaben einmal an, um ihre Unterschiede aufzuzeigen.

1) Werke beauftragen

Ein Beispiel

Einige Verlage produzieren Serien oder Reihen. Was ist der unterschied zwischen einer Reihe und einer Serie? Typischerweise drehen sich beide um ein mehr oder weniger festes Figurenensemble und spielen im selben Universum (Story World). Einzelne Folgen einer Reihe enden tendenziell damit, dass eine mehr oder weniger gleiche Ausgangssituation wiederhergestellt ist, damit die nächste Episode wieder von neuem beginnen kann.

Manchmal dauern Reihen jahrelang an, wie Perry Rhodan, Buck Rogers, Zorro, James Bond, und viele Kinderserien wie Das magische Baumhaus.

In Serien kann es dagegen vorkommen, dass sich Figuren entwickeln und verändern, wie bei Harry Potter oder Krieg der Sterne. Die Geschichte baut pro Episode einen längeren Spannungsbogen auf. Einzelne Folgen enden vielleicht mit Cliffhanger.

Serien wie Reihen können von mehreren Autor*innen verfasst sein. Es gibt vielleicht nicht einmal die oder den individuellen Schriftsteller*in, die als Autorin der Serie identifiziert werden kann.

Aufgabe des Lektorats ist es also, geeignete Autoren zu finden, um neue Folgen zu schreiben. Für die so beauftragten Autoren gibt es oft strenge inhaltliche wie sprachliche Richtlinien, an die sie sich halten müssen. Manchmal werden sie „Bibeln“ genannt.

Ein anderes Beispiel 

Ein Belletristik-Verlag hat sich möglicherweise auf bestimmte Genres spezialisiert, was das Lektorat unter Druck setzt, Titel zu produzieren, die zum Programm passen. Anstatt darauf zu warten, dass Literatur-Agent*innen ihnen Stoffe bringen, können Lektoren pro-aktiv nach Sujets oder Zielgruppen suchen, die Absatz bringen könnten.

Zum Beispiel könnten sie feststellen, dass es nur wenige Krimis auf dem Markt gibt, die in der Welt des Marathonlaufs spielen. Dieses spezielle Thema hat ein eingebautes Publikum, da eine beträchtliche Anzahl von Menschen an Marathonläufen interessiert ist und der Verlag kann davon ausgehen, dass zumindest ein Teil dieser Zielgruppe Kriminalromane liest. Sicherlich gäbe es also genug Potenzial für einen „Midlist“-Titel, ein Buch, das niemand im Verlag als Bestseller auffasst, das aber in ausreichender Menge verkauft werden könne.

Ein beauftragender Lektor wird also zwei Dinge tun: Zuerst wird er einige Grundideen und einen groben Rahmen dafür ausarbeiten, wie er sich den Roman vorstellt. Zum Beispiel könnte er entscheiden, dass es sich um einen ziemlich einfachen Krimi handeln sollte, nicht zu lang (vielleicht 200 Seiten) und auf keinen Fall zu experimentell oder hochliterarisch, um die angenommenen Mainstream-Leser*innen der marathoninteressierten Zielgruppe nicht abzuschrecken. Zweitens wird er nach erfahrenen Krimiautoren suchen, die bestenfalls  etwas über das Laufen von Marathons wissen.

Wenn der Lektor diese beiden Aufgaben erfüllt hat, wird er den zukünftigen Autor instruieren und den Marathonkrimi in Auftrag geben.

Das Briefing

Autoren zu briefen ist nicht so einfach, wie es klingt. Wie kann man Kreativität einfordern?

Beemgee hilft dem Lektor Werke zu beauftragen, denn in einem Beemgee Projekt kann er entscheidende Aspekte der Geschichte vorgeben, sei es, wie das Publikum auf die Hauptfigur reagieren soll, sei es, welche Art von Rollen oder Archetypen er im Charakter-Ensemble erwartet oder wo in der Erzählung spezifische Handlungspunkte idealerweise platziert werden sollen, bis hin zum Thema oder zu einem zentralen Konflikt, den er eingearbeitet haben möchte.

All diese Punkte kann er in Beemgee bereits festhalten und das so zum Teil schon skizzierte Projekt an den beauftragten Autor weitergeben: der kann dadurch viel genauer als durch ein Standardtextbriefing erkennen, was von ihm erwartet wird und viel gezieltere Rückfragen stellen.

2) Contentediting: Ein Geschichte entwickeln

Möglicherweise wird die inhaltliche Arbeit an einer Geschichte mit einem Autor von derselben Person durchgeführt, die das Werk in Auftrag gegeben hat. Das ist aber nicht immer der Fall: Die Bearbeitung der Struktur einer Geschichte stellt eine andere Aufgabe dar, als Autoren damit zu beauftragen. Entsprechend werden im Englischen Developmental Editors (Entwicklungslektoren) manchmal auch als Content Editors (Inhaltslektoren) bezeichnet.

Bei dieser Aufgabe hilft der Entwicklungslektor dem Autor, das Story-Material zu erstellen, zu entwickeln und in Form zu bringen. Der Autor beschäftigt sich mit dem Stoff, präsentiert ein Konzept, das vielleicht Hauptfiguren, zentrale Elemente der Handlung, vielleicht sogar Motive, die sich wiederholen könnten, beinhaltet. Durch den Gedankenaustausch mit dem Lektor und die gemeinsame Auseinandersetzung mit den unzähligen Aspekten einer Geschichte wird das zunächst vage und grobe Konzept so zu einer detaillierten Story Outline verarbeitet.

Figuren werden fallen gelassen, erfunden, zusammengeführt oder ihre Bedeutung erhöht. Handlungsstränge werden möglicherweise gestrichen oder erweitert. Motive können platziert, Themen entwickelt, Akte verkürzt oder verlängert, Kapitel verschoben werden.

Nun hängt es sehr stark vom Grad der Zusammenarbeit ab, den der Verlag mit Autoren wünscht, und den ein Autor bereit ist zu akzeptieren. Einige Autoren verlangen oder erwarten nur einen kleinen Schubs hier und da, vielleicht in Form von Hinweisen oder Ratschlägen. Andere wollen in enger Abstimmung mit ihren Lektoren die Handlung komponieren und die Tiefen ihrer Figuren ausloten.

Insbesondere bei Auftragsstorys kann es sein, dass Lektoren nur gelegentlich nach Updates fragen, besonders wenn sie mit erfahrenen Autoren zusammenarbeiten, die oft zuvor für ähnliche Projekte engagiert wurden. Aber wenn ein Autor neu oder das Projekt für das Programm besonders wichtig ist, ist eine enge Zusammenarbeit möglicherweise nötig.

Auf jeden Fall ist diese Art der Arbeit am Stoff ein kreativer Prozess, der in eine detaillierte Outline mündet, die dem Autor die Grundlage für die Erstellung des eigentlichen Textes bietet. Dem Lektor bietet sich durch die Arbeit mit Beemgee die Möglichkeit, zu prüfen, ob und wie weit der Autor sich an das abgesprochene Konzept gehalten hat.

Mit Beemgee kann ein Lektor die Stärken und Schwächen eines Konzeptes leicht erkennen, sie aufzeigen und ganz gezielt an Verbesserungen arbeiten. Er würde es sofort bemerken, wenn z.B. der Protagonist nicht ausreichend motiviert oder der Antagonismus schwach ist. Er würde sehen, ob die Erzählperspektive unsystematisch verteilt ist, oder ob ein Leitmotiv in der zweiten Hälfte ausbleibt.

Ein Beemgee Projekt bietet also einen klaren Rahmen, um einzelne Mängel in der Handlung oder den Figuren zu identifizieren und zu beheben. Set-ups bzw. Plants (Andeutungen auf spätere Handlungsereignisse) sind bewusst geplant, um die emotionale Wirkung der Pay-offs auf das Publikum zu erhöhen. Jede Etappe einer Erzählung ist abgesteckt und ihre angestrebte Wirkung auf die Leser klar definiert.

Mit einer solchen Roadmap kann sich der Autor auf Sprache und Stil beim Schreiben konzentrieren, und sich drauf verlassen, dass die Geschichte in sich dramaturgisch rund ist. Auch wenn das Schreiben neue Inspirationen oder alternative Handlungsideen mit sich bringt, ist die Geschichte bereits so solide angelegt, dass man leicht erkennen kann, wo weitere Änderungen vorgenommen werden müssten, wenn eine an einer bestimmten Stelle eine Änderung in der Handlung vorgenommen wird.

Da ein Beemgee Projekt immer online ist, können sowohl Autor als auch Lektor unabhängig voneinander darauf zugreifen und an der Geschichte arbeiten. Ob sie im selben Raum sitzen oder in unterschiedlichen Ländern.

All dies erspart dem Lektorats-Team Zeit und Sorgen und bedeutet, dass es bei der Abgabe des Manuskripts keine schlaffen Strecken in der Mitte gibt, keine degressiven Handlungsstränge, die nicht zu Ende erzählt werden, oder Figuren, die ihre Spannungsbögen nicht vervollständigen.

3) Das Textlektorat

Erst wenn das Manuskript geschrieben ist, beginnt die Arbeit am Text. Ein Lektor liest das Manuskript, prüft und verbessert den Stil und Ton der Sprache. Er wird Grammatik- und Rechtschreibfehler beheben. Doch ein Textlektorat ist nicht dasselbe wie Korrekturlesen! Das Korrektorat konzentriert sich auf das reine Beheben von Fehlern. Beim Textlektorat (line editing) geht es darum, den Text zu verbessern.

So kann der Lektor typischerweise die Schwammigkeit und das „Übergewicht“ eines Textes verringern, indem er viele Adjektive und Adverbien löscht. Er kann Sätze verkürzen und die Komplexität der Syntax reduzieren. Er mag sogar Metaphern verfeinern, Anspielungen suggerieren, Gleichnisse liefern. Kurz gesagt, er wird die Textur des Textes für den Leser angenehmer werden lassen.

Aber er wird die Geschichte wahrscheinlich nicht ändern. Wenn er das tut, arbeitet er am Stoff.

Nichtsdestotrotz wird im deutschsprachigem Raum nach wie vor nicht differenziert zwischen dem inhaltlichen und dem Textlektorat, und viele Lektoren beginnen sich tatsächlich erst mit dem Stoff auseinanderzusetzen, nachdem die erste Textfassung geschrieben wurde. Auch wenn das heißt, dass die Arbeit am Stoff dadurch erheblich mühsamer sein kann.

Beemgee kann beim Textlektorat überhaupt nicht helfen. Weil es bei Beemgee nicht um Text geht. Bei Beemgee geht es um die Geschichte.

4) Die Jagd nach Geschichten mit Potenzial

Allen drei Arten von Lektoratsaufgaben ist gemeinsam, dass sie gute Romane großartig machen wollen. Aber zuerst muss ein Lektor diesen guten Roman finden.

Dies ist also die vierte und vielleicht spannendste Aufgabe von Lektoren: das Aufspüren von Geschichten mit dem Potenzial, das Publikum zu fesseln und zu begeistern.

Verlagslektorate erhalten meist qualifizierte Empfehlungen von Agenten, die die Programme kennen und wissen, was die Lektoren mögen und suchen. Aber sowohl Verlage als auch Agenten haben so genannte „Slush“-Stapel: Berge von unverlangt eingesandten Manuskripten. Bestenfalls werden Volontär*innen gebeten, den Stapel hin und wieder zu durchforsten – wenn es gerade mal nichts Dringenderes zu tun gibt.

In der Regel liest der Volontär die ersten Seiten und bewertet das Manuskript hauptsächlich danach, ob der Autor in der Lage ist, klare und effektive Sätze zu schreiben. Wenn diese Seiten nicht ganz überzeugend sind, wird die möglicherweise großartige Geschichte, die das Manuskript erzählt, vielleicht nie entdeckt werden. Deshalb ist Sprache so wichtig.

Natürlich ist dies einer der Ursachen für all die Legenden von Ablehnungen, von denen erfolgreiche Autoren gerne berichten. Und die armen Lektoren, die Game of Thrones oder Harry Potter ablehnten, ohne zu ahnen, was ihnen durch die Lappen ging, mochten wahrscheinlich einfach den Sprachstil nicht. Hätten sie den Reichtum und die Tiefe der Erzählwelt und der Figurenbesetzung erkannt, hätten sie vermutlich entschieden, dass die Sprache später noch poliert werden könnte.

Und das ist der Punkt, an dem Beemgee wirklich helfen kann:

Ein Beemgee-Projekt ermöglicht es einem Lektor (und auch einem Praktikanten mit ein wenig Erfahrung), ein Story-Projekt viel tiefer und detaillierter zu verstehen als jedes Exposé oder Treatment, und das in einem Bruchteil der Zeit.

Ein Beemgee Projekt ist so klar strukturiert, dass innerhalb weniger Minuten der Lektor die Motivationen aller Hauptfiguren kennt, die daraus resultierenden Konflikte und was die Figuren tun, um ihre Ziele und Wünsche zu erreichen. Er versteht die Verteilung der Motive und Erzählperspektiven, sieht das Zusammenspiel der Handlungsstränge, erkennt die Daseinsberechtigung jeder Szene und kann sogar Einsicht in die Notizen haben, die der Autor sich fürs Schreiben gemacht hat.

Bei drei von vier Aufgaben des Lektorats hilft Beemgee

Alle diese redaktionellen Aufgaben haben in anderen Medien eine Entsprechung: Bei Film und Fernsehen sind es vor allem Produzent*innen, die diese unterschiedlichen Aufgaben bewerkstelligen.

Beemgee ist also nicht nur ein Autorenwerkzeug. Beemgee ist ein redaktionelles Werkzeug.

  1. Das Tool hilft den Lektoren, Geschichten mit Potenzial zu entdecken.
  2. Beemgee hilft beauftragenden Redaktionen und Lektoraten, wesentlich präzisere Briefings zu erstellen.
  3. Beemgee hilft allen, die mit Autoren zusammenzuarbeiten, um gute Geschichten zu großartigen zu machen.

Wenn das Manuskript geschrieben ist, kann sich ein Lektor also darauf konzentrieren, gute Texte zu polieren, bis sie perfekt sind.

Kurz gesagt, Beemgee ist nicht nur eine unschätzbare Hilfe bei der Entwicklung von Story-Stoffen. Beemgee ist eine erstaunlich effiziente Art, sie zu entdecken.

 

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